foto © fotobee / schuldes - Mühlhausen, Pfortenstraße
Mühlhausen / Thüringen ist eine ehemalige Freie Reichsstadt mit rund 38.000 EW (2002); 43.700 EW (1980); 9.000 EW (1418), 230m ü.NN
Sie liegt am Nordostrand des dichtbewaldeten Hainichs.
Das Gebiet des Thüringerreiches kam 531 unter die Herrschaft der Franken. Sie brachten ihre Wassermühlen und den Namen mit.
Das 775 erstmals urkundlich erwähnte "Molinhuso" entwickelte sich unter dem Schutz einer königlichen Pfalz (976), die bald zu einer Burg ausgebaut wurde, mit einer Ansiedlung von Handwerkern und Kaufleuten. Bereits zu dieser Zeit (9./13.Jh.) war der Ort Residenz deutscher Herrscher.
1135 erhielt Mühlhausen/Thüringen die Stadtrechte verliehen.
Im Jahr 1180 erhielt Molinhuso den Status einer freien Reichsstadt. Um 1200 war aus der Vereinigung zweier Märkte (der Ober- und der Unterstadt) das eigentliche Mühlhausen entstanden. Die Bürger erbauten, weil sie niemanden benachteiligen wollten, ihr Rathaus genau auf der ehemaligen Grenze beider Gebiete.
1220 wurde Mühlhausen zu einem "ganz festen stettelin". Außerdem wurde ein Stadtrechtsbuch verfasst - das älteste in deutscher Sprache überlieferte geltende Recht.
Da Mühlhausen auf königlichem Gebiet lag, wurde es von einem Burggrafen verwaltet. Die Ritter der Burg mischten sich wiederholt in die Belange des aufstrebenden Bürgertums ein, das schließlich 1256 die Burg stürmte und zerstörte. So hatte Mühlhausen nach der Erlangung der Münzprägung, der Zollerhebung und der Konstituierung eines Rates volle Selbstbestimmung errungen.
Mühlhausen wurde Mitglied des Rheinischen Bundes und 1420 auch der Städtehanse.
Inschriften an der Marienkirche zeugen vom Selbstbehauptungswillen der Mühlhäuser, die bei zahlreichen Fehden des Mittelalters gemeinsam mit den Nordhäuser und Erfurter Bürgern gegen raublustige Adlige und deren Burgen stritten.
Mühlhausen wurde für seine Rolle im Bauernkrieg (1525) von den Fürsten hart gestraft. Es verlor seine Reichsfreiheit und erhielt hohe Strafen auferlegt. Erst im 18./19.Jh. kam die Stadt wieder zu einer gewissen kulturellen Blüte.
Anfang des 19. Jh. Preußen einverleibt, sank zu einem unbedeutenden Landstädtchen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. begann eine zügige Entwicklung der Industrie. Um 1900 existierten bereits 100 größere und kleinere Fabriken, vorwiegend im Maschinenbau und für Nahrungsgüterproduktion. Ab 1945 entstanden Großbetriebe:
Thüringer Obertrikotagen Cottana, Westthüringer Kammgarnspinnereien, Röhrenwerk, Möve-Werk (Fahrräder)?
Noch heute vermittelt die ehemalige Reichsstadt mit Stadtmauer, elf mittelalterlichen Kirchen und vielen Bürgerhäusern aus Stein und Fachwerk - als Ort an der Deutschen Fachwerkstraße - das nachhaltige Bild einer großen Vergangenheit.
[R] Rathaus: Stein- und Fachwerkbau (14./16.Jh.), Tonnengewölbe, Ratssaal und Ratsstube mit gotischer Wandmalerei, Ratsarchiv, prächtiges Mobiliar im Südflügel
[m] Barfüßerklosterkirche am Kornmarkt: gotisch, heute Bauemkriegsmuseum
[1] Inneres Frauentor
[2] Divi-Blasii-Kirche/Blasiuskirche: gotisch, Glasfenster aus der Zeit um 1350, Fensterrose, spätgotischer Marienaltar, frühbarockes Chorgitter. Von 1707 bis 1708 war hier Johann Sebastian Bach als Organist tätig.
[3] Annenkapelle
[4] Petrikirche
[5] Stadtmauer (um 1220): bestens erhalten, 2,7 km lang, teilweise begehbar, besonders bemerkenswert nördlich des inneren Frauentores (im Westen) mit Rabenturm, Hiospitalturm und Sackgassenturm am Hirschgraben. Im Ostteil ist ein Rundturm zu sehen, im Süden dominiert ein fünfeckiger Wehrturm.
[6] Deutschordenshof, in dem Müntzer 1525 lebte.
[7] Marienkirche (12. und 14.Jh.), gotisch mit fünf Schiffen, dreitürmig, Südportal mit reichem Figurenschmuck, spätgotischer Flügelaltar. Hier hat Thomas Müntzer sein Programm verkündet.
[8] Brotlaube: barock (um 1780). Unter einer offenen Bogenhalle diente sie zum Verkauf von Brot.
[9] Allerheiligenkirche: einzige Kirche der Stadt mit barocker Ausstattung, heute Ausstellung sakraler thüringer Kunst.
Museum am Lindenbühl: Vor- und Frühgeschichte Thüringens, Stadtgeschichte, Naturkunde
Brunnenhaus Popperode: Geschichte der Brunnenfeste und Wasserversorgung
Brunnenfest im Juni an der Poppenröder Quelle
Stadtkirmes: Ende August
Holzfahrt im Juli
Thomas-Müntzer-Denkmal vor dem Frauentor
Außerordentliche Bedeutung erlangte die Reichsstadt durch das Wirken Thomas Müntzers. Von Allstedt aus, wo ihm Verhaftung drohte, kam er in die Stadt.
Hier wirkte bereits der Mühlhäuser Bürgersohn Heinrich Pfeiffer im Sinne einer Volksreformation. Müntzer erhielt das Pfarramt und predigte den Aufstand. Es gelang ihm, die Parteigänger zum "Ewigen Bund Gottes" zusammenzuschließen, einer militärisch organisierten Geheimbewegung, die in ihrem Programm die radikale Erneuerung des menschlichen Daseins propagierte. Im September 1524 scheiterte ein Aufstandsversuch. Ausgerechnet die Bauern der zu Mühlhausen gehörenden Dörfer stellten sich auf die Seite des alten Rats. Müntzer und Pfeiffer mussten fliehen, kehrten aber zurück.
Inzwischen war der Bauernkrieg voll entflammt. Schnell wurde Mühlhausen das Zentrum des Thüringer Aufstandes, Müntzer wurde der anerkannte Führer der Bewegung, der alte Rat entmachtet und ein neuer "Ewiger Rat" eingesetzt.
Am 15.5.1525 kam es bei Frankenhausen zur entscheidenden militärischen Auseinandersetzung. Durch Bruch des Waffenstillstands war es den vereinten fürstlichen Heeren gelungen, das Bauernheer in einem fürchterlichen Gemetzel zu besiegen. Müntzer wurde gefangen genommen und auf einem Schinderkarren gefesselt "als Beutepfennig" dem Feudalherren Ernst von Mansfeld nach Heldrungen überstellt. Dieser ließ Müntzer grausam foltern, um einen Widerruf zu erpressen. Als er sein Ziel nicht erreichte, warf er ihn in den Turm.
Am 27.5.1525 wurden Müntzer, Pfeiffer und weitere 56 Leute bei Görmar enthauptet und aufgespießt. In ganz Thüringen setzte eine brutale Verfolgung der Müntzer-Anhänger ein. Chronisten berichten, dass sich die Bäume der Landstraßen unter der Last gehenkter Bauern zur Erde beugten.
Von 1707 bis 1708 war Johann Sebastian Bach Kantor an der Kirche Divi Blasii und Johann Gottfried Bernhard, Bachs dritter Sohn, wirkte als Organist an der Kirche St. Marien. Auch weitere herausragende Persönlichkeiten wirkten in der Stadt: Laurentius Blumentrost. Leibarzt Zar Peters l., 1725 Gründer und erster Präsident der russischen Akademie der Wissenschaften; Tilesius von Tilenau (1769-1857), Teilnehmer der ersten russischen Weltumseglung; F. A. Stühler (1800-1865), der als Schüler Schinkels das Neue Museum und die Nationalgalerie Berlin, ferner das Nationalmuseum Stockholm, das Gebäude der Budapester Akademie der Wissenschaften u.a. Bauwerke schuf, sowie J. A. Rohling (1806-1869) berühmter Konstrukteur von Drahtseilbrücken in den USA.
Felchta, Görmar, Mühlhausen, Saalfeld, Windeberg